EU-Geräuschverordnung – Viel Lärm um Nichts?

EU-Geräuschverordnung – Viel Lärm um Nichts?

Seit dem 1. Januar 2016 bestehen für neue Motorräder bezüglich der Lärmentwicklung geänderte Vorgaben, die jedoch nicht dem deutschen Verkehrsministerium entstammen, sondern der Wirtschaftskommission für Europa, der United Nations Economic Commission for Europa, kurz UNECE. Diese Kommission, die bereits seit 1947 besteht, arbeitet in verschiedenen Sektoren Vorschläge zu wirtschaftlichen oder umweltpolitischen Themen aus und gibt diese an die Mitgliedsländer der UNECE weiter. Deutschland ist seit 1973 Mitglied der Kommission und damit eines von 56 Ländern weltweit, das die Vorschläge der UNECE in nationales Recht umsetzt. Die nun neu in Kraft getretene UNECE-R 41.04 basiert auf dem im Jahr 1958 beschlossenen Übereinkommen der Mitgliedsländer zur Annahme technischer Vorschriften für Radfahrzeuge, Ausrüstungsgegenstände und Teile, die in Radfahrzeugen eingebaut und verwendet werden.

In der Regel werden Vorgaben der UNECE von der EU zuerst in eine EU-Verordnung umgewandelt und dann an die Mitgliedsländer zur Umsetzung weiter gegeben. In diesem Fall war es die EU-Verordnung Nr. 168/2013 mit der CELEX Nummer 32013R0168, die am 21.02.2014 verkündet wurde und am 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist. Diese EU-Verordnung wiederum findet im § 49 der deutschen StVZO ihren Niederschlag.

Dies ist keineswegs die erste EU-Verordnung durch die UNECE bezüglich der Eindämmung des Motorenlärms von Motorrädern, sondern bereits die 4. Änderung der R 41, wie am Zusatz 04 zu erkennen ist.

Was ist neu in der UNECE-R 41.04?

Ab dem 1. Januar 2016 müssen neue Motorräder für die Erlangung der EU-Typgenehmigung folgende Anforderungen erfüllen:

1. zusätzliche Geräuschanforderungen im Bereich von 20 bis 80 km/h (ASEP),

2. Grenzwerterfüllung in allen evtl. Betriebsarten/Klappenstellungen,

3. Verbot von Testzykluserkennungen durch die Motorsteuerung

4. manipulationserschwerende Maßnahmen inklusive dem Verbot entfernbarer
Schalldämpfereinsätze (sog. „dB-Eater“ / „dB-Killer“),

5. Kennzeichnung von Geräuschwerten am Motorrad zur Überprüfung von
Geräuschemissionen im Verkehr

Das ist aber noch nicht alles. Die UNECE-R 41.04 beinhaltet zudem das Inkrafttreten der Abgasnorm Euro 4, was eine zusätzliche Einschränkung des maximalen Geräuschpegels von bisher 80 auf zunächst 78 und ab 2017 auf 77 dB(A) beinhaltet. Auch für die weitere Zukunft ist mit der Emissionsstufe 5 durch dieselbe EU-Verordnung schon vorgesorgt. Ab dem Jahr 2020 müssen Motorradfahrer mit weiteren Maßnahmen zur Lärmsenkung rechnen.

Mit den neuen Prüfverfahren werden bisherige Gesetzeslücken geschlossen, die es den Herstellern erlaubten, die Lärmregelungen nicht unbedingt zu umgehen, aber eben nur für den vorgegebenen Testbereich einzuhalten. Darüber, ab 80 km/h kann sich die Kraftentfaltung des Zweirades deutlich bemerkbar machen. In der neuen Verordnung besteht der Zusatz: Motorräder ab einem Leistungsgewicht von 50 kW/t. müssen diesen Grenzwert (78 dB) einhalten. Das bedeutet schlicht, das in allen Fahrsituationen der vorgegebene Schallhöchstwert einzuhalten ist.

Die Verordnung gilt jedoch nur für neue Typenzulassungen. Für bestehende Motorrad-Typen bleibt die bisherige Regelung gültig. Wer folglich im Jahr 2016 plant, ein neues Motorrad anzuschaffen, sollte einen Blick auf das Jahr der Typgenehmigung werfen, wenn denn der Sound ein unbedingtes Kaufkriterium darstellt.

Ein weiteres interessantes Detail findet sich in der Verordnung UNECE 92.01, die sich mit Zubehör-Auspuffanlagen beschäftigt. Während die serienmäßig vom Hersteller verbauten Auspuffanlagen natürlich unter die UNECE-R 41.04 fallen, tritt die UNECE 92.01 für Zubehör-Auspuffanlagen erst im Jahr 2020 in Kraft. Theoretisch könnte also ein Motorradfahrer, der ein der UNECE-R 41.04 entsprechendes Motorrad erworben hat, an dieses eine Auspuffanlage mit alter E-Typgenehmigung verbauen und so das Motorrad ganz legal „soundtechnisch“ wieder aufrüsten. Im Besonderen ausländische EU-Genehmigungsbehörden gehen bei der Typ-Genehmigung für Zubehör-Auspuffanlagen mit den Grenzwerten recht locker um.

Solange die Auspuffanlage für das jeweilige Motorrad zugelassen ist, können auch die deutschen Behörden kaum etwas dagegen ausrichten, allerdings werden schon im Jahr 2020 die Karten bezüglich der Grenzwerte und der Zulassungsrichtlinien wieder neu gemischt.

 

 

Vorstehender Beitrag ist ein Gastbeitrag von Anne-Katrin Meyer. Anne-Katrin Meyer ist gelernte Technikerin. In ihrer Aufgabe als Redakteurin bei der Loitz KG betreut sie den Online-Shop von helmexpress.com und befasst sich in diesem Zusammenhang nicht nur mit der Sicherheit beim Motorradfahren, sondern auch mit sämtlichen neuen Gesetzesregelungen in diesem Bereich. Da sie auch privat gern mit dem Motorrad auf Tour ist, kann sie Hobby und Beruf perfekt miteinander verbinden.